Bakterien, Kunst und andere Kleinigkeiten

Bakterien in den Künsten, den Human- und den Naturwissenschaften
Eine interdisziplinäre Tagung in Kooperation mit dem Goethe-Institut Dänemark  

Medical Museion Kopenhagen, 15 Mai 2015

“We live in the age of bacteria” – so bringt der Paläontologe und Evolutionsbiologe Stephen Jay Gould ein vermeintliches Paradox auf den Punkt: Ausgerechnet die ältesten, strukturell simpelsten, kleinsten, allgegenwärtigsten und dabei dennoch vielfältigsten Organismen stehen zunehmend im Mittelpunkt des Interesses, wenn heute die Frage nach dem Wesen des Lebens selbst gestellt wird. Nach der Faszination von “Big Data” und der unüberschaubaren Informationsfülle von sequenzierten Daten und genomischen Kartierungen richtet sich der Blick nun immer mehr auf die bislang unterschätzte Rolle von Mikroorganismen im komplexen Funktionsgefüge von mutmaßlich ‘individuellen’ Lebewesen. Auf das Human Genom Project folgt das Human Microbiom Project. Körper werden dabei zunehmend als multi-dimensionale und symbiotische Wesen, gar als speziesübergreifende Ökologien verstanden. Mikrobielle Zellen machen zahlenmäßig so z.B. zehn Mal mehr des menschlichen Körpers aus als menschliche Zellen an sich. Mikrobiom-Transplantationen werden zur Bekämpfung von Übergewicht diskutiert, und in der Synthetischen Biologie werden Bakterien mit neuartigen Funktionen neu designed. All das rüttelt am Selbstbild des Menschen, und so geraten Bakterien sowohl als Materie als auch als Metapher zentral in den Fokus der Philosophie, der Kunst und der Naturwissenschaften.

Die interdisziplinäre Tagung in Kooperation mit dem Goethe-Institut Kopenhagen begleitet die Gründung des neuen internationalen Research-Netzwerkes, das 2014/15 von deutschen und dänischen Forschern ins Leben gerufen wird – schließlich war es mit Hans Christian Gram einst auch ein dänischer Botaniker, Pharmakologe und Mediziner, der während seiner Studien zwischen Berlin und Kopenhagen die heute noch gebräuchliche Methode der Bakterienidentifizierung durch Färbung entwickelte. Während dieser eintägigen Auftaktveranstaltung legen die assoziierten Experten den Grundstein für das von der Universität Kopenhagen initiierte dreijährige Forschungsprogramm.

Neben dem akademisch-multiperspektivischen Austausch ist auch eine Kunst-Performance geplant, die auch für ein breiteres interessiertes Publikum offen sein soll. Im Blickpunkt der Veranstaltung stehen Bakterien dabei als „Booster“ emergenter Forschungsfelder zwischen Medizin-, Natur-, Humanwissenschaften und den Künsten. Bakterien sind dabei sowohl a) zu beobachtende Wissens-Objekte, b) lebendige Medien der Wissensproduktion bzw. biotechnische Werkzeuge, und c) lebendige Subjekte, die als Agenten eines post-anthropozentrischen Weltbildes auch von philosophischem Interesse sind. Die Tagung untersucht, warum, wie und wann Bakterien über die etablierten Spezialdisziplinen hinaus als Materialen, Motive, Modelle und Metaphern dienen.

Der Event ist die zweite Koproduktion im Rahmen der Strategic Partnership in Arts and Culture zwischen dem Goethe Institut Dänemark und dem Department for Arts and Culture Studies (IKK) der Universität Kopenhagen. Er wird realisiert in Zusammenarbeit mit Medical Museion (Kopenhagen) und Micro Human (Berlin) und soll das entstehende Netzwerk auf ihr Potential abklopfen, gesellschaftlich, philosophisch und industriell relevante Denkperspektiven verschränken – zwischen Art based Research und Research based Art, Architektur und Kunstgeschichte über Medienwissenschaft und Literaturwissenschaft bis hin zu Epistemologie, Medizin und Synthetischer Biologie.